
„Reformer und Basis“ – Der Deadlock-Mix in der AfD

Seit Gründung besteht die Partei der AfD aus einer Melange verschiedenster Gruppen und Strömungen. Anfangs haben Professoren die Partei dominiert, deren Kompetenz in der Wirtschaftswissenschaft liegt. Es haben sich viele Bürgerliche der Partei angeschlossen, deren Geduld einfach am Ende ist, viele Patrioten, die Islamkritiker der „Freiheit“, Verfechter der direkten Demokratie usw. Und schon am Anfang, und mit den ersten Erfolgen umso mehr: Glücksritter.
Von Anfang an gab es einen fundamentalen Konflikt. Auf der einen Seite sind denjenigen, die mit der AfD bei ein oder zwei Grundsatzfragen Kurskorrekturen bewirken wollen, aber sonst als „Partei der gemäßigten Reformen im Rahmen der geltenden Gesetze“ agieren möchten und von vorneherein darauf abzielen, die Partei mittelfristig in Regierungsbeteiligung zu führen. Ich nenne sie „Reformer“. Auf der anderen Seite stehen denjenigen, die die gesamte Politik von Merkel und Konsorten prinzipiell in Frage stellen und alle die essentiellen Probleme, die in diesem Land verdeckt und verschwiegen werden, auf die Tagesordnung setzen wollen. Sie sind meistens auch für die Stärkung basisdemokratischer Prozesse. Diese nenne ich „Patrioten“ oder „Basis“.
Und dann gibt es noch die „Beutegemeinschaft“, Leute, für die das politische Mandat das Instrument zur Lösung ihrer persönlichen sozialen Frage ist. Angefangen hat das mit Markus Pretzell, der in NRW eine politische Mondlandschaft hinterlassen hat. Leider ist es der „Beutegemeinschaft“ nicht nur in NRW, sondern fast überall gelungen, die „Reformer“ zu kapern.
Wie auf Bundesebene, so auch im Land Berlin. Hier war es Georg Pazderski, der ohne reale Machtperspektive den „Berliner Weg“ durchsetzte, die im Weiteren auf eine zurückhaltende Politik mit Blick auf eine irgendwann mögliche Regierungsbeteiligung zielt. Spätestens seit dem Eintags-Ministerpräsidenten Kemmerich sollte aber klar sein, daß der AfD dieser Weg versperrt ist und auch bleiben wird. Leider zieht daraus weder auf Bundes- noch auf Landesebene irgendjemand die notwendigen Schlußfolgerungen.
Der Konflikt, der aktuell ausgetragen wird, verläuft entlang folgender Frontstellung: Eine kleine Gruppe von Amts- und Mandatsträgern (eben die „Beutegemeinschaft“) möchte gerne wieder in Amt und Würden bestätigt werden. Das ist legitim und auch nicht unanständig. Die anderen Amts- und Mandatsträger möchten das übrigens auch gerne. Anscheinend hat man aber bei der „Beutegemeinschaft“ die Sorge, die ignoranten Mitglieder könnten doch möglicherweise von dem im Plan vorgesehenen Wahlergebnis abweichen. (Die „Basis“ hat da deutlich mehr Vertrauen in das Votum der Mitglieder.) Das geht natürlich gar nicht. Wie verhindert man das? Indem man so wenig Mitglieder wie möglich zum Parteitag zuläßt. Der Trick heißt „Delegiertenparteitag“. Wer einmal in einer der Altparteien eine dieser traurigen Veranstaltungen erlebt hat, wenn handverlesene Delegierte so abstimmen, wie es ihnen vorher eingetrichtert wurde, der kann so etwas für unsere Partei nicht ernsthaft wollen. Bei einem Delegiertenparteitag weiß man, wer kommt. Delegiertenlisten kann man abtelefonieren und Versprechungen machen oder Druck ausüben. Die meisten, die an diesem Wochenende in Paaren sitzen werden, werden das erlebt haben.
Die Parteien, so wie sie in unserem politischen System aufgestellt sind, haben systemimmanent eine Tendenz zur Oligarchisierung. Das läßt sich auch bei uns schon beobachten. Der bevorstehende Delegiertenparteitag ist ein großer Schritt in diese falsche Richtung.
Diese Konflikte werden sowohl auf Landes- wie auf Bundesebene von der jeweiligen Führung einseitig mit einer Vehemenz vorangetrieben, die leider momentan keinen Raum für Kompromisse erkennen läßt. Das läßt allen anderen gar keine andere Wahl, als entweder aufzugeben und zu gehen, oder ebenso verbissen gegenzuhalten. Das Ergebnis ist, daß die gesamte Partei sich völlig in sich selbst verkeilt hat.
Hoffentlich gelingt es uns allen, auf dem bevorstehenden Parteitag diese Blockade aufzulösen und mit frischer Energie die bevorstehenden Aufgaben anzugehen. Die anderen sind unsere Gegner!
Volker Graffstädt