
Gedicht: Alle Menschen sind gleich – Siegmar Faust

Alle Menschen sind gleich
von Siegmar Faust
der eine will dahin, die andere dorthin
die eine lebt für ihren glauben, der andere führt seinen kampfhund aus
der eine forscht für die pharma-industrie, die andere trägt ihren busen zur
schau
die eine spielt fußball, der andere lässt sich gehen
der eine wurde promoviert, die andere ist taub und stumm
die eine regiert ein land, der andere zockt automaten ab
der eine dient bei der bundeswehr, die andere sitzt als mörderin im knast
die eine gewinnt eine reise nach mallorca, der andere nimmt sich den strick
der eine will die welt retten, die andere betrügt ihren mann
die eine spielt lotto, der andere studiert theologie
der eine will hoch hinaus, die andere taucht gern in den tiefen der stille hinab
die eine hat noch ihr leben vor sich, der andere kann es nicht lassen
der eine will eine frau sein, die andere ein mann
die eine kann und will nicht, der andere will und kann nicht
der eine sieht schwarz, die andere rot,
die eine ist schon jahrelang tot, der andere wurde heute abgetrieben
der eine zieht seinen schwanz ein, die andere vergnügt sich im konsumrausch
die eine feminisiert die sprache, der andere sucht sprachlos das weite
der eine will alle menschen gleichschalten, die eine oder andere flippt aus
Dieser und weitere Beiträge erschienen in der TREND-Printausgabe Februar 2021. Sie können das Printmagazin bei Staatsreparatur, Jungfernstieg 4 B, 12207 Berlin-Lichterfelde beziehen oder unter der Telefonnummer 030844155610 bestellen.