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Reichsbürger und die Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches

Reichsbürger und die Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches

Titelbild: Framing der Reichsbürger in der ARD bei #kurzerklärt
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Der 150. Jahrestag der Gründung des Deutschen Reiches am 18. Januar 1871 gibt Anlaß, sich kritisch mit der sich selbst so nennenden „Reichsbürgerszene“ zu befassen.

Den meisten aufgeklärten Deutschen ist bewußt, daß das Deutsche Reich weder 1945 noch mit den Neugründungen der Bundesrepublik und der DDR einen formalen Auflösungsakt erfuhr. Man kann dadurch auf den Gedanken kommen, das Deutsche Reich lebe in der Bundesrepublik Deutschland weiter. Oder es bestehe sogar als Deutsches Reich weiter und sei nicht erloschen. Die Bundesrepublik stelle lediglich einen Zusammenschluß der Deutschen Länder dar und somit gar kein Staat im eigentlichen Sinne.

Daß die seit 71 Jahren gelebte Staatswirklichkeit sehr wohl für ein Bestehen der Bundesrepubik als Staat spricht, ist klar. Allerdings liegen seit Gründung gewisse Schatten auf dem makellosen Kleid der Republik. Immerhin sprechen ranghohe deutsche Politiker von der Nichtsouveränität der Bundesrepublik und Gerüchte um eine Kanzlerakte verlieren nicht an zeitgeschichtlicher Kraft.

Und da ist die Sache mit dem Friedensvertrag. Beziehungsweise dem fehlenden Friedensvertrag. Es gibt Leute, die sagen, der 2+4-Vertrag sei der Friedensvertrag. Die in der UNO weitergeltende Feindstaatenklausel, die Deutschland und Japan keine Gleichberechtigung in der Nachkriegswirklichkeit einräumt, läßt Zweifel zu, ob das Ende des 2. Weltkriegs und die Kapitulation Deutschlands zwischenzeitlich durch einen Friedensschluß besiegelt wurden.

Und unsere Verfassung, unser Grundgesetz, das zweifellos eine würdige und solide Grundfeste deutschen Nachkriegswirklichkeit darstellt, wurde nie vom Volk per Abstimmung bestätigt. Die Reichsbürger leiten daraus überwiegend den Schluß ab, daß die Bundesrepublik lediglich ein potemkinsches Dorf sei, das weder berechtigt ist Gesetze zu erlassen, noch diese durchzusetzen. Dagegen spricht, daß zumindest die Länder, im Wesentlichen hervorgegangen aus den Ländern des Deutschen Reiches und auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ab 1990 wiederentstanden, unzweifelhaft rechtsfähige deutsche Entitäten darstellen, selbst wenn es die Bundesrepublik selbst nicht wäre. Da die Bundesländer die Bundesgesetze gemäß ihrer Verfassungen übernehmen, gilt Bundesrecht automatisch auch in den Ländern.

Gleichwohl ist die pauschale Kriminalisierung oder Verächtlichmachung der Zweifel und Zweifler nach meinen demokratischen Grundüberzeugungen nicht richtig. Kriminell ist, wer gegen geltendes Recht verstößt, nicht jeder, der Zweifel hegt. Der Reichsbürger darf seine Zweifel an der Bundesrepublik äußern, wenn er sich an geltendes Recht hält.

Da es in der Geschichte der Bundesrepublik unklare Aspekte gibt, müßten Demokraten bemüht sein, diese zu beleuchten und gegebenenfalls auszuräumen. Daß ein Diskurs darüber unredlich sein soll, kann ich nicht erkennen.

Andreas Wild

Dieser und weitere Beiträge erschienen in der TREND-Printausgabe Januar 2021. Sie können das Printmagazin bei Staatsreparatur, Jungfernstieg 4 B, 12207 Berlin-Lichterfelde beziehen.

Über den Autor

Andreas Wild

Andreas Wild ist Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, Funktionär im Kreisverband Steglitz-Zehlendorf der AfD Berlin und Unternehmer.